„Das regeln die schon unter sich!“

 

Katze Artgenosse Aggression

… Ja, ich muss meinen Kunden recht geben! Unsere Katzen regeln Streitigkeiten tatsächlich immer unter sich. Doch bin ich dennoch ein Gegner dieser Aussage! Warum?

Unter harmonischen Bedingungen regeln Samtpfoten ihre Beziehungen durch eine freundliche Kommunikation, die sie durch Katzenmutter und (Wurf)Geschwister lernen. Aufgrund dessen ist es so obligat, Kitten zu möglichst spätem Zeitpunkt (optimal: nach der 14. Woche) von Muttertier und Geschwistern zu entwöhnen (Entwöhnung bedeutet das Absetzen eines Kittens von der Muttermilch). In dieser Konstellation lernen sie Rücksichtnahme und Verständnis füreinander ebenso wie den Umgang mit Impulskontrolle (Selbstkontrolle der eigenen Emotionen und Gemütserregungen, die durch äußere Anlässe oder innere psychische Vorgänge ausgelöst werden) und Frustrationstoleranz (Fähigkeit, frustrierende Situationen, Erlebnisse etc. über eine gewisse Zeit auszuhalten). Und auch wenn es wie in jeder Beziehung, einmal „kracht“, sind Streitigkeiten unter grundsätzlich friedlichen Bedingungen in Dauer und Intensität meist verhältnismäßig harmlos und werden schnell beigelegt. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Doch Eskalationen darüber hinaus werden überwiegend nicht zugunsten der Fellnasen geregelt. Zumindest zieht eine Partei in der Regel den Kürzeren. Darüber hinaus ist Aggressionsverhalten unter Fellnasen mit enormem Stress verbunden. Dies sowohl für die gemobbte Samtpfote, die in ständiger Angst leben muss, als auch für den Mobbenden. Denn dessen Aggressionsverhalten wird sicherlich nicht durch positive Erfahrungen oder Erlebnisse hervorgerufen. Sicherlich strotzt er auch nicht vor Ausgeglichenheit.

Aggressionsverhalten hat (wie grundsätzlich JEDES Verhalten eines Individuums) IMMER einen Grund. Größtenteils ist dieser in schlechten Erfahrungen/Erlebnissen (körperliche Einwirkungen, Schreckreize usw.), Krankheiten/Schmerzen (oft vor allem dann, wenn Aggressionen PLÖTZLICH auftreten), sowie in Lebensveränderungen zu suchen. Alles in allem: Unter tierisch aggressivem Verhalten leidet in der Regel das ganze Umfeld über einen langen Zeitraum hinweg. Denn entsprechendes Problemverhalten ist nicht von heute auf morgen gebannt. Im Gegenteil! Ohne therapeutische Maßnahmen tritt es in der Regel in immer häufigerer und intensiverer Form auf.

So sollten Sie schnell handeln und nicht zusehen, wie die Situationen im Alltag zunehmend eskalieren. Denn jede aggressive Begegnung festigt das Problemverhalten und trägt zu einer immer verfahreneren Beziehung der Streitenden bei.

BEISPIELE, wann Sie unbedingt handeln sollten:

  • Katzen „verhaken“ sich wie ein Fellknäuel ineinander
  • Fellfetzen fliegen
  • Verletzungen
  • Katze/n verliert/en während des Streitens Urin und/oder Kot
  • Katze zeigt unerwünschtes Verhalten wie Harnmarkieren oder Unsauberkeit
  • Fauchen einer Katze wird seitens Artgenossen (regelmäßig) ignoriert
  • Katze wird ständig von tierischem Mitbewohner verfolgt
  • Katze hält sich ständig versteckt
  • Katze traut sich nicht, einen Platz zu verlassen (dies ständig und/oder über längere Zeiträume)
  • Katze zieht sich zunehmend zurück (spielt nicht mehr und schläft nur noch)

Wie sollten Sie handeln?

Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, denn es kommt immer auf die Situation an. Handelt es sich tatsächlich um einen harmlosen Disput, sollten Sie nicht eingreifen. Denn auch unsere Fellnasen müssen mit diesem und den daraus resultierenden Emotionen ebenso umgehen lernen wie mit dem Austesten von Grenzen und dem Aushalten der Konsequenzen bei Grenzüberschreitungen.

Sollte die Situation ein über einen harmlosen Disput hinausgehendes Aggressionsverhalten ankündigen und entsprechende Fellnase gut abrufbar sein, empfehle ich dessen Verhaltensunterbrechung durch Abruf. Dies, BEVOR Ihre Katze aggressive Handlungen zeigt (oder auch Vorstufen wie bspw. das Lospreschen auf den gemobbten Artgenossen), mit denen meist ein (extrem) hohes Erregungslevel einhergeht, was zur Folge hat, dass ein Abruf nicht mehr möglich ist. Hier heißt es zum einen auf Körpersprache und Ausdrucksverhalten ALLER BETEILIGTEN TIERE wie auch auf Rahmenbedingungen (bspw. Distanz zueinander) genauestens zu achten. Zum anderen muss der Abruf mithilfe eines auf das Individuum individuell abgestimmten und regelmäßigen Trainings erlernt werden.

Sind die Kontrahenten bereits aneinandergeraten und lassen im schlimmsten Fall nicht mehr voneinander ab, sollten Sie unbedingt dazwischen gehen. Dabei dürfen Sie sich bitte aber nicht selbst in Gefahr bringen!

Sie merken es vielleicht: Die vorstehenden Empfehlungen zeigen lediglich eine grobe Richtlinie auf. Denn die Therapie von Verhaltensproblemen und -störungen gestaltet sich individuell so wahnsinnig unterschiedlich, da zahlreiche Faktoren und Rahmenbedingungen Berücksichtigung finden müssen.

Doch eines rate ich dringend: Leben Ihre Vierbeiner in Disharmonie zusammen und macht sich sogar Aggressionsverhalten breit, sollten Sie ganz dringend tätig werden und eine/n Tierpsychologin/en zurate ziehen. Diese/r steht Ihnen mit der Analyse des Problems, einer persönlichen Therapie- bzw. Trainingsempfehlungen sowie Unterstützungen in der praktischen Umsetzung mit Rat und Tat zur Seite. Dabei sollte die/der Tierpsychologe/in genau darauf achten, dass die ausgesprochenen Empfehlungen sowie Hilfestellungen auf Ihre Lebensbedingungen und die Ihrer menschlichen und tierischen Mitbewohner abgestimmt und in der Praxis umsetzbar sind.