… Es ging um ihre EKH-Katze Lara, die seit drei Wochen Tag und Nacht quasi ununterbrochen schrie. Frau Mahlmann kam eben mit Lara vom Tierarzt, der dem Problemverhalten in entsprechender Zweitkonsultation nochmals auf den Grund gehen wollte. Doch wusste sich der Vet, in dessen Praxis ich vor einigen Jahren ein Praktikum absolviert hatte, auch nach eingehenden Untersuchungen inkl. großem Blutbild, welches keine Auffälligkeiten ergab, keinen Rat mehr. Daher empfahl er mich weiter, in der Hoffnung, dass ich helfen könne.
Kurzum: Frau Mahlmann bat um einen schnellstmöglichen Hausbesuch. Das sollte kein Problem darstellen, wohnten sie und Lara doch nur etwa fünf Autominuten von mir entfernt. Da Frau Mahlmann erwähnte, dass Lara sich aktuell im Freigang befinde und sie nicht wüsste, wann sie diese wieder in die Wohnung bekäme, vereinbarte ich mit ihr, sich direkt wieder zu melden, sobald Lara Inhaus war. Etwa eine halbe Stunde später kam der Anruf und ich fuhr los.
Auf der Hinfahrt zerbrach ich mir den Kopf und ich hatte ein etwas mulmiges Gefühl. Denn ich konnte das dreiwöchige Schreien der Fellnase mit den wenigen bereits vorhandenen Informationen überhaupt nicht in Einklang bringen. Grundsätzlich immer den Wunsch habend, jedes einzelne Problemverhalten eines KundenFellchens aufzuklären, setzt vor allem eine Empfehlung doch ein wenig unter Druck. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich allerdings noch nicht, dass ich Lara´s Verhaltensauffälligkeit noch an gleichem Abend würde lösen können.
Bei Frau Mahlmann angekommen, fand ich diese nach wie vor völlig aufgelöst vor. Sie bat mich ins Wohnzimmer, in welchem ich auch Lara erspähte. Kurzzeitig in einer Ecke versteckt, anschließend tief geduckt und völlig verängstigt durchs Wohnzimmer in den Flur laufend, erkannte ich direkt, dass mit Lara etwas überhaupt nicht stimmte. Zwei Minuten später stand sie an der geschlossenen Terrassentür, kratzte an dessen Scheibe, um herausgelassen zu werden und schrie dabei wie am Spieß. Entsprechendes Schreien kam mir bisher in Verbindung mit Panik unter. Ich beobachtete Lara, ihr stetig durch die Wohnung geducktes Hin- und Herlaufen, das immer wiederkehrende Kratzen an der Scheibe und ihr ständiges Schreien. Eines stand fest: Lara hatte richtiggehend Angst! Aber woher kam diese Angst? Nach etwa 20-minütiger Beobachtung bat ich Frau Mahlmann, Lara in den Freigang zu lassen.
Es war Ruhe! So konnte ich mich mit Frau Mahlmann eingehend unterhalten. Sie berichtete mir unter Tränen noch einmal von den letzten drei Wochen, wovon sie seit einer Woche Urlaub hatte, den sie ausschließlich zu Hause bei Lara verbrachte. Um Gottes willen! Vor allem diese Urlaubswoche, in der Frau Mahlmann 24/7 mit Lara´s Problemverhalten konfrontiert wurde, hatte sie verständlicherweise ans Ende der Verzweiflung gebracht. Um mir einen besseren Eindruck über Lara´s Lebensbedingungen zu verschaffen, machten Frau Mahlmann und ich uns zu einer Wohnungsbegehung auf.
Dabei erzählte sie mir, dass sie mit Lara aufgrund einer Trennung erst vor einigen Wochen in diese Wohnung gezogen war. Sofort wurde ich hellhörig. Denn konnte der Umzug und damit auch für Lara einhergehender Lebensabschnitt Grund für deren Verhalten sein? Ich befragte Frau Mahlmann zu alten Lebensverhältnissen inkl. der bisherigen Beziehung von Lara zu Frau Mahlmann´s Expartner. Grundsätzlich schienen sich beide gut verstanden zu haben, doch musste Lara in der Vergangenheit häufig mit lautstarken Auseinandersetzungen zwischen dem Ex-Paar leben. Ich nahm diesen Umstand als möglichen Angstauslöser gedanklich auf. Doch auch wenn ich wusste, dass ein Problemverhalten bei Katzen manchmal (viel) später nach Konfrontation mit dem Auslöser auftreten kann, hatte ich den Eindruck, dass noch etwas anderes hinter Lara´s Verhalten stecken musste. Wir gingen ins Wohnzimmer zurück. Lara saß vor der Terrassentür und wollte wieder eingelassen werden. Wieder lief sie geduckt und schnurstracks aus dem Wohnzimmer in den Flur. Irgendetwas irritierte mich dabei. Wie auch schon vorhin. Frau Mahlmann erzählte weiter, dass sie nach der Trennung das Glück hatte, mit Lara umgehend diese Wohnung beziehen zu können. Sie gehöre einem guten Bekannten, der bis vor Kurzem selbst hier gelebt hätte. Er und seine drei größeren Rassehunde seien schließlich in eine großflächigere Wohnung gezogen. Der Bekannte hätte Frau Mahlmann ebenfalls das meiste Inventar hinterlassen, worüber sie aufgrund ihrer aktuell finanziellen Lage sehr dankbar war.
Moment!!!! Hinterlassenschaften? Hunde? Hunde? Hinterlassenschaften? Nicht nur, dass es bei mir anfing zu rattern, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Denn nun wusste ich, was mich ganz besonders an Lara´s Verhalten störte. Ich hatte den Gedanken gerade zu Ende gedacht, als die Fellnase auch schon wieder aus dem Flur ins Wohnzimmer kam, sich schreiend an die Terrassentür stellte, um herausgelassen zu werden. Bei ihrem Gang durchs Wohnzimmer vermied sie es tunlichst, wie auch bereits ab Beginn meines Hausbesuches, über den großen im Wohnzimmer befindlichen Teppich zu gehen. Meine nächste Frage sollte meinen Verdacht bestätigen. Denn ich erkundigte mich bei Frau Mahlmann, ob ihr sonstige Verhaltensveränderungen bei Lara aufgefallen wären. Die Antwort kam spontan: „Lara war früher unheimlich verschmust und wir konnten stundenlang, vor allem abends, gemeinsam auf der Couch sitzen und kuscheln! Das möchte sie seit Einzug überhaupt nicht mehr! Und streicheln lässt sie sich eigentlich auch nicht mehr richtig!“
Kurzum: Ich empfahl Frau Mahlmann, den großen Wohnzimmerteppich, auf dem sich vermutlich die drei Hunde des Vormieters regelmäßig aufgehalten hatten und der dabei den für Lara verhassten und Angst auslösenden Hundegeruch aufgenommen hatte, aus dem Wohnzimmer zu entfernen. Für die Reinigung des Wohnzimmerbodens und auch der Couch empfahl ich spezielle Reiniger.
Die Empfehlungen wurden noch an selbigem Abend umgesetzt. Bereits am nächsten Morgen erhielt ich seitens Frau Mahlmann´s ein Video, welches früh morgens in der Küche aufgezeichnet wurde: Es war Fütterungszeit. Doch davor gab es eine lange Streicheleinheit! Auch Lara´s Schreien hörte schlagartig auf. Bis zum heutigen Zeitpunkt erhalte ich immer wieder Videos und Fotos von Lara, die sie völlig entspannt an verschiedenen Stellen des Wohnzimmers zeigen.
Ich freue mich, dass ich Frau Mahlmann bei ihrem Anliegen unterstützen durfte.